Während ich über meine Entführung im Prager Präsidentenpalast im Dezember 2015 schreiben wollte, erinnerte ich mich an Mozarts Oper von „Die Entführung aus dem Serail“ aus dem Jahre 1782.

Diese Oper handelt von der Flucht zweier europäisch-christlicher Frauen aus dem Reich der „Barbarei“, die im Palast eines osmanischen Paschas gefangen genommen wurden.

Meine Geschichte jedoch fand nicht im 18. Jahrhundert statt, sondern im 21. Jahrhundert im Herzen der europäischen Zivilisation. Dieser Palast wird von einem Präsidenten bewohnt, der Milos Zeman heißt. Mozart lässt die zwei jungen christlichen Mädchen aus dem Palast eines Paschas fliehen und ich wurde knapp 230 Jahre nach dem Entstehen von Mozarts Oper aus dem tschechischen Präsidentenpalast entführt.

An dem Tag, an dem die ISIS-Monster im August 2014 zwei Teile Kurdistans (Başur, Rojava) angegriffen haben, wurde meine Welt zerstört und mein ganzes Leben hatte sich verändert.

Als Erdoğan sagte, dass Kobanê fallen werde, bin ich zu einem Roboter geworden. All meine Zeit, meine Energie, diverse Telefonate, Suche nach internationalen Organisationen, die Teilnahme an den Diskussionen in den Facebook-Gruppen, an denen ich teilgenommen habe oder auch die Suche nach Journalisten und Politikern aus aller Welt haben mich viel Mühe gekostet.

Am 16. Januar 2015 organisierte ich mit meinen Freunden das größte Treffen der tschechischen Geschichte. Wir haben die Kundgebung nicht auf irgendeinem Platz gehalten, sondern in Prag, direkt vor dem Präsidentenpalast, wo ich sicher war, dass Milos Zeman uns unterstützen würde.

Tausende von Menschen aus der ganzen Tschechischen Republik kamen, um gegen die ISIS (DAIS) zu protestieren und um die kurdischen Kämpfer zu unterstützen.

An der Tagesordnung einer jeden Demonstration standen Reden der Parlamentarier, der Kleriker und mir. Später habe ich versucht nach Deutschland zu gehen um dort meine Freunde zu mobilisieren.

Ich kehrte am 21. Januar nach Tschechien zurück. Um Mitternacht wurde ich in meinem Haus im Wald angegriffen, und ich überlebte den Angriff durch ein Wunder. Trotzdem bemühte ich mich weiterhin, Herrn Barzani nach Tschechien einzuladen, um tschechische Waffen und Minensuchgeräte nach Başur zu spenden. Ich habe offizielle Behörden gebeten, mit Hilfe tschechischer Militärexperten Peschmerga zu schulen.

Vor dem Besuch des Herrn Barzani gab es keine rechtliche Grundlage, aber die zuständige Polizeistation meines Wohnortes, die Polizei des zentralen tschechischen Polizeichefs, unter der Leitung von Vaclav Kucera, überfiel mich in meinem Haus. Sogar meine Gäste wurden aus dem Haus gebracht und danach wurde meine Wohnung durchsucht.

Die Durchsuchung dauerte bis in die frühen Morgenstunden. Zuerst wurden meine Daten erfasst. Meine CDs, meine Festplatten, all meine Computer und mein iPad wurden beschlagnahmt.

Jeden Tag kam ein Jeep und parkte vor meinem Haus und wartete bis in die Nacht. Am Abend wurde die Wache des Jeeps durch ein anderes Fahrzeug abgelöst.
Ich war von allen Seiten dem brutalen Polizei-Terror ausgesetzt.
All meine Beschwerden, Proteste und die an die Innenminister gerichteten Anfragen konnte diesen Terror nicht aufhalten.

Ich hatte keine andere Wahl als nach Deutschland zu fliehen, um meine Arbeit fortzusetzen und meiner Verantwortung gegenüber meinem Volk gerecht zu werden.
Ich half aus Deutschland, die Munitions- und Waffenlieferungen von Tschechien nach Kurdistan liefern zu lassen und koordinierte die Arbeit der Hilfsgruppen, die ich zu diesem Zweck geschaffen hatte.

In der Zwischenzeit erfuhr der stellvertretende Polizeipräsident , ein Oberst, der das Büro leitete, von meiner Lage und bot mir schriftlich seine Hilfe an. Daraufhin kehrte ich in die Tschechische Republik zurück.
Ich wurde von Oberst David Zahorsky, Büroleiter des stellvertretender Polizeipräsident General Z. Lauber empfangen.

Uns wurde von einer attraktiven Blondine Kaffee serviert. Währenddessen kam ein anderer Oberst in den Raum. Ich erklärte in chronologischer Reihenfolge alle Terroraktionen der Zentralen Tschechischen Polizei. Er machte sich Notizen.
Oberst Zahorsky erzählte uns, dass Vaclav Kucera sehr gut wisse, wer er war, aber es war sehr schwer, sich ihm zu widersetzen, weil er einer der Dienstältesten Polizisten war. Um mich davon zu überzeugen, sagte er „Herr Doktor, die Dame, die uns gerade Kaffee gebracht hat und der Oberst, der den Raum betrat, sind seine Leute.“

Wie uns erzählt wurde, war das Polizeipräsidium in der Hand von Vaclav Kucera.

Auf Empfehlung des Büroleiters des stellvertretendes Polizeipräsidenten sollte ich zur polizeilichen Ermittlungsbehörde gehen, um dort für die Strafverfolgung der Polizeibeamten Strafanzeige erstatten  und den Polizeiterror um Personenschutz zu bitten.

Zusammen mit einem Vermittler nahm er mich zu dieser Institution mit. Er hat mir auch einen engen Freund empfohlen, der als Anwalt keine Angst vor der Polizei hatte. Kurz nachdem wir bei der Polizeiaufsichtsbehörde ankamen, erschien besagter Anwalt.
Der Anwalt hieß Dr. S. Hrinko. Wir sind mit dem Anwalt gegangen, um eine Strafanzeige gegen die Polizei aufzugeben, und forderten sie auf, mich vor der Polizei zu schützen, die mich terrorisiert hatte.

Der zuständige Beamte, der die Anzeige in der Polizeiaufsichtsbehörde aufnahm, fragte mich nicht, was ich ihnen zur Anzeige aufgeben will, sondern mit wem ich im Polizeipräsidium in Verbindung stehe.

Kurz danach wurde Oberst David Zahorsky von seinem Posten entfernt und in das Kriminalpolizei-Institut versetzt. Ein knappes Jahr später „habe er sich in seinem Haus mit einer Kugel das Leben genommen“…!? Seine Frau und seine Kinder waren zu diesem Zeitpunkt im Urlaub. General Z. Lauber, stellvertretender Polizeipräsident, trat plötzlich von seinem Posten zurück ….

Ein paar Minuten nach dem Foto wurde ich entführt.

Endlich kam Herr Barzani. Der tschechische Präsident begrüßte ihn vorlaufenden Kameras mit den Worten: „Ich verbeuge mich vor ihrer Heldentat“.

Meine Hilfe für Rojava setzte ich fort mit der Wiederaufbaukonferenz von Kobanê im Europäischen Parlament in Brüssel. Ich meisterte tausend Schwierigkeiten und schickte Journalisten nach Rojava, wohin bereits Vertreter von Wohltätigkeitsorganisationen entsandt worden waren.

Und dann, im September, nahm die YPJ-Kommandantin Nesrin Abdullah mit meiner Hilfe nach allen scheinbar unüberwindbaren Hindernissen in Prag an der Zentraleuropäischen Sicherheitskonferenz teil und nahm aus den Händen des tschechischen Präsidenten den Widerstandspreis der Tschechischen Republik unter Beifall von 60-70 Generälen der NATO-Mitgliedsstaaten entgegen. Anschließend verbrachten wir zwei Wochen mit einem intensiven Arbeitsprogramm.

Nach Nesrin Abdullahs Rückkehr nach Kurdistan/ Syrien fuhr ich mit dem stellvertretende Vorsitzenden der Verteidigungskommission des Europäischen Parlaments im Auftrag dieser Kommission  meinem Freund J. Stetina nach Rojava nach dem Rückkehr hielt er   um wiederum eine Rede an die Generalversammlung des Europäischen Parlaments um Hilfe für Rojava und Bakur zu bitten.

Vor aller Welt trug er im Fernsehen einen Schal unserer rojavischen Kriegerinnen. Herr Stetina sei der erste hochrangige Politiker der Welt, der nach Rojava mit mir reiste.

Im Dezember 2015 war ich gerade dabei, eine Delegation aus BASUR‘s Parlament in Tschechien zu empfangen. Mein Ziel war es, Beziehungen zwischen dem kurdischen Parlament, dem tschechischen Staat und dem Europäischen Parlament zu schaffen.

Kurz vor Abschluss des Programms kam ein offizieller Brief des Polizisten Vaclav Kucera der zentralen tschechischen Polizeiwache.

Am 20. Dezember 2015 wurde ich zur Stellungnahme zu einer Angelegenheit geladen. Ich schickte sofort einen Brief an den Anwalt. Dieser sagte mir, dass ich die kurdischen Parlamentarier zu dieser Zeit in der Tschechischen Republik willkommen heißen solle und dass ich nicht auf die Polizeiwache kommen könne, weil ich zu dem Zeitpunkt ein formelles Treffen mit dem Innenministerium hatte und ich ihnen keine Erklärungen geben würde. Ich bat bei der Polizei um einen neuen Termin, wenn sie denn wollten, dass ich ein Protokoll unterzeichnen soll.

Mein Anwalt schickte mir eine Kopie der Petition, die der an diese Polizeiabteilung geschickt hatte. Nach tschechischem Recht ist es möglich, aus irgendeinem Grund einer Einladung nicht zu folgen. Darüber hinaus haben die Bürger das Recht auf die Verweigerung der Aussage.

Es war kein Zufall, dass die in der Zeit wo ich in Innenministerium mıt  die vier Leiter der Ministerkammern über die Hilfsmittel für Kurdistan sprachen und sie mich aufforderten, eine Erklärung bei der Örtlichen Polizei Behörden  zu geben.

Ich habe eine E-Mail an die Generaldirektion der Polizei, die Polizeiaufsichtsbehörde, das Innenministerium, den Generalstaatsanwalt der Tschechischen Republik, alle Mitglieder der Kommission für innere Angelegenheiten des tschechischen Parlaments gesandt, um sie darüber zu informieren, dass mein Anwalt eine Entschuldigung an die Polizei geschickt hat.

Also dachte ich, ich wäre von der Pflicht dieser bösartigen „Einladung“ zu folgen entbunden.

Unsere Parlamentarier kamen am 20.12.2015 und wir sahen unsere Freunde im Europäischen Parlament. Dann gingen wir zum Innenministerium. Es war ein sehr erfolgreiches Interview. Sie verpflichteten sich, das für Kurdistan bereitgestellte Budget zu verdoppeln. Wir waren so glücklich, wir umarmten alle von Herzen.

Am nächsten Tag besuchten wir den Erzbischof Vaclav Maly am Hof der Katholiken direkt neben dem Präsidentenpalast. Maly war ein Freund, den ich aus meinen Studentenjahren kannte.

Wir waren glücklich darüber, dass wir für das Flüchtlingslager in Başur Hilfe zugesagt bekommen hatten. Und wir gingen zum Präsidentenpalast, um die Zusage des Präsidenten entgegenzunehmen. Die Entfernung zwischen den beiden Gebäuden betrug 150 bis 200 Meter. Im Präsidentenpalast sollten wir von dem Direktor für Außenbeziehungen Dr. Hynek Kmonicek begrüßt werden.

Die Person, die im September Nesrin Abdullah empfing und am nächsten Tag das Ziel des „Botschafters“ des Prager Botschafters in der Türkei war Hynek Kmonicek. Er ist jetzt der Botschafter der Tschechischen Republik in den USA.

 

Dr. Hynek Kmonicek, Präsident der Präsidialabteilung, und kurdische Parlamentarier. Ich wurde 15 Minuten nach dieser Fotoaufnahme entführt.

Das Interview mit Dr. Hynek Kmonicek fand in einem freundlichen Umfeld statt. Nach dem Interview wurden gemeinsame Fotos mit der Kurdistan-Flagge gemacht. Beim Verlassen des Palastes wurden wir behindert und festgehalten. Die Polizisten, die mich seit Jahren beobachteten und alle meine digitalen Archive nahmen und sie unter dem Vorwand eines Hausbesuchs kopierten, zogen mich zwischen den Parlamentariern heraus. Ich konnte mich jedoch an die Parlamentarier wenden und sagen, dass es eine Provokation sei und sie ruhig bleiben sollen.

Im Anschluss an das Gespräch mit Herrn Kmonicek hatten wir einen Termin bei Herrn Karel Schwarzenberg. Dieses Treffen haben die Polizisten aus Mittelböhmen, die nicht einmal Gesetz gemäß befugt sind, in Prag tätig zu werden, verhindert.

Vor Hunderten von Touristen, die kamen, um den Palast zu sehen und vor den Augen der kurdischen Parlamentarier wurde ich in Handschellen abgeführt und in einem zivilen Auto weggebracht. Es schien so, dass sie nicht wussten, wohin sie mich bringen sollten. Vielleicht warteten sie auf einen Anruf mit Anweisungen.

Die Namen der zwei Polizisten sind Leos Tomanek und Adam Kunc. Ich kannte Leos Tomanek als Kind. Ich habe 1991 im Dorf Otice, 5 km von der Polizeieinheit entfernt, eine Gewürzfabrik gegründet. Er war dort ein Dorfkind und Sohn eines Polizisten. Meine Gewürzfabrik hatte ein Kühllager mit einer Kapazität für Hunderte von Tonnen Gewürzen.

Im Sommer wurden Obst und Gemüse aus der Türkei und Bulgarien importiert und kurz vor Ladenschluss wurden Obst und Gemüse an die bedürftigen Dorfbewohner kostenlos verteilt.
Tomanek kam immer mit der Schubkarre. Jahre später war er Polizist. Sein Vater stieg ebenfalls auf und arbeitete mit Vaclav Kucera zusammen.

Ich wurde also von jemandem entführt, der als Kind schubkarrenweise Wassermelonen aus meinem Warenlager bekam.

Die Parlamentsgruppe in Begleitung des Mitarbeiters  des Generalkonsulats der Tschechischen Republik in Erbil erfuhr von meiner Entführung und rief sofort den Generalkonsul an und informierte ihn über die Situation und er wiederum informierte den Botschafter in Bagdad.
Der Botschafter  war ein Freund. Er rief sofort das Außenministerium an.

Dank Gazi wurde der Vorfall überall gehört. Bis zum Vertretern der Sozial Demokratischen Partei des tschechischen Parlaments, zu dem wir nicht gehen konnten, weil wir entführt wurden.

Die Parlamentarier suchten nach mir, da wir einen Termin vereinbart hatten. Ich konnte ja leider nicht antworten. Von Gazi erfuhren sie, dass ich entführt wurde.

Sie mussten das Auto ein paar Mal anhalten und aus dem Auto aussteigen, damit ich bei den Gesprächen mit irgendwelchen Leuten nicht zuhörte. Und jedes Mal lehnten sie sich mit leicht blasser Gesichtsfarbe an das Auto.
Dann fuhr unser Auto in eine Stadt an der deutschen Grenze. Als wir dort ankamen, wurde ich auf eine Polizeiwache gebracht. Dort erfasste man mit Gewalt meine Fingerabdrücke. Aus meinem Mund wurden Speichelproben entnommen und Fotos von mir wurden aufgenommen. Ich wurde in Gewahrsam genommen.

Nachdem ich stundenlang in einem leeren, fensterlosen Raum gewartet hatte, kam mein neuer Anwalt. Ich habe mich geweigert eine Erklärung zu unterschreiben. Schließlich sagte man mir, ich sei frei und werde nach Prag zurückgebracht. Mein Anwalt bringe mich nach Prag. So sind wir nach Prag zurückgekehrt.

 

2 Stunden vor der Entführung, mit dem Erzbischof von Prag und kurdischen Parlamentariern.

Was wollte man mit meiner Entführung erreichen? Das weiß ich bis heute nicht. Ich denke, sie wollten mich umbringen.
Wollte man etwa dem tschechischen Präsidenten, der bei jeder Gelegenheit die kurdische Freundschaft hervorhob und die Türkei kritisierte, ein Signal geben? Wollte man mir Angst machen? Auf jeden Fall hatte der Mitarbeiter des Generalkonsulat  Gazi die Pläne durchbrochen.

Aber wenn sie das Gesetz brechen wollten, wussten sie, wo mein Haus war. Es war nur drei Kilometer von ihrem Polizeigebäude entfernt! Wenn sie gewollt hätten, hätten sie mich auch morgens abführen können. Ich fuhr zehn Jahre lang von meinem Haus im Wald, was 28km von Prag entfernt lag, an der Vorderseite des Polizeigebäudes vorbei. Sie hätten mich jeden Tag festhalten können. Aber warum führte man mich nicht im Dorf ab, sondern erst unter Verletzung aller Gesetze im Präsidentenpalast in Prag? Oder wollte der türkische Botschafter in Prag mit seiner Kritik gegenüber kurdischen, politisch-militärischen Persönlichkeiten aus der Tschechischen Republik seine Macht demonstrieren?

In der Tschechischen Republik dürfen Polizeieinheiten keine Operationen außerhalb ihres Dienstgebiets durchführen. Das Team, das mich festhielt, waren Polizeibeamte der Tschechischen Zentralbehörde. Es ist ihnen nicht gestattet, in der Hauptstadt Prag zu operieren, die ein eigenes Territorium darstellt.

Diese unrechtmäßige Operation durch die Polizei stellte mehr als ein Verbrechen dar: die nationalen Interessen der Tschechischen Republik wurde vernachlässigt, das Handeln und Wirken des Präsidenten untergraben, die Interessen Kurdistans wurden geschädigt, indirekt wurden durch diese Aktionen die ISID (DAIS) unterstützt. Und nicht zuletzt wurde einem Menschen seine Freiheit entzogen und er wurde gekidnappt. Trotz zahlreicher Beschwerden des Präsidentenpalastes, meiner Anwälte und mir wurden keine Untersuchungen und Befragungen eingeleitet.

Die türkischen Schurken mit einer falschen Identität, die schon seit den 90er Jahren in dem „tiefen Staat“ geschützt werden, sind stärker als der Präsident, der Metzger, der Schneider, Wissenschaftler, Studenten, Abgeordnete, die mit kurdischen Kämpfern sympathisieren und die tschechische Nation repräsentieren.