GEISELNAHME – eine Erfindung, die offenbar zusammen mit der menschlichen Zivilisation entstanden ist. Sowohl göttliche als auch menschliche Gesetze haben es versäumt, diese Erfindung aus dem Leben unserer ansonsten weitgehend menschlichen Gesellschaft zu entfernen.

Zumindest hat es bei der Entwicklung unserer Zivilisation einige kleinere Fortschritte gegeben: wenn heutzutage eine Person jemand anderen als Geisel nimmt, so gilt dies als Verbrechen und wird entsprechend bestraft.

Wenn aber die Geisel von einer juristischen Person wie dem Staat genommen wird – was ist dann? Der Staat wird als Sklavenhändler bezeichnet. Der Tatbestand und internationale Sanktionen gegen diesen Staat sollten im Einklang mit den weltweit geltenden Menschenrechten durchgesetzt werden.

Und erst recht dann, wenn ein geiselnehmender Staat Mitglied der NATO ist, so wie es die Türkei ist.

Wir wissen aus der Geschichte, dass Geiselnahmen auch in Europa häufig praktiziert wurden; beispielsweise zwischen Frankreich und England, als die Engländer einen französischen Fürsten entführten und somit Reichtümer erpressten.

Unsere Generation kann sich noch an das Institut der Geisel aus der Zeit des Kalten Krieges erinnern, als die Parteien ihre Geiseln auf Brücken austauschten.

Nach dem Sturz des Totalitarismus waren wir überreizt, voller Euphorie, waren hoffnungsvoll, freuten uns auf ein zivilisiertes Zusammenleben. Wir glaubten, dass bessere, menschlichere Zeiten kommen würden. Waren wir dumm oder naiv oder gar beides?

Am 17. September 1992 wurden vier Kurden im Zentrum der Hauptstadt des mächtigsten Landes Europas ermordet – in Deutschland. Die Kurden kamen als Gäste, die zum Kongress der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) geladen waren. Einer von ihnen, ihr Vorsitzender, war mein Freund Dr. Sharafkandi. Kad Darabi, der Chef der Attentäter, wurde direkt aus Teheran geschickt. Er wurde anschließend verhaftet. Die Iraner haben sofort herausgefunden, wie sie ihn aus Deutschland herausholen können. Der bekannte deutsche Geschäftsmann Helmut Hofer war zu dieser Zeit in Teheran tätig. Sein Interesse an schönen Frauen war bekannt. Muslimische Beamte schickten also eine ihrer muslimischen Schönheiten in seine Wohnung (gewiss mit dem Segen Allahs). Er wurde daraufhin verhaftet des Ehebruchs beschuldigt, was im Iran, einem Land, das Allah gehorsam und treu ist, streng bestraft wird. Er wurde in ein Gefängnis gebracht, das wegen seiner unmenschlichen Behandlung von Gefangenen in der ganzen Welt berüchtigt ist. Es trägt den poetischen Namen Evin, was „Liebe“ bedeutet.

Die Koalition der sozialdemokratischen und der grünen Partei war zu dieser Zeit in Deutschland an der Macht, mit Gerhard Schröder als Bundeskanzler und Joschka Fischer als Außenminister. Ja, Joschka Fischer – derjenige, der einen Polizisten getreten hatte, der zu Boden gefallen war, als Mitglied der rebellischen Jugendlichen, die 1968 gegen Ungerechtigkeit kämpften. Fischer, einem Revolutionär, und Schröder, einem Demokraten, sogar einem Sozialdemokraten.

Man tauschte Hofer gegen Darabi. Und in den Medien wurde dies als unglaublicher Erfolg präsentiert. Schröder tauschte den Mörder der Gäste seiner eigenen politischen Partei gegen den Geschäftsmann. Das Schröder-Fischer-Paar hat mit dem Ayatollah-Regime einen Deal auf Kosten unschuldiger Kurden gemacht.

Und nun holen Sie Luft, liebe Leser: nach seiner Ankunft im Iran wurde der Attentäter Darabi zum Leiter des Menschenrechtsbüros im Iran ernannt.